Schonfrist für das Sparschwein


Hartnäckig wird die bargeldlose Gesellschaft vorausgesagt. Doch die Vision vom Ende der Münzen und Scheine könnte sich als ebenso haltlos erweisen wie jene vom papierlosen Büro.


November 2013



Das Portemonnaie zu zücken, sobald es ans Bezahlen geht, ist uns eine Selbstverständlichkeit. Dabei geht es im digitalen Zeitalter auch anders – bequemer, schneller und einfacher: Bringen wir im Supermarkt unsere Einkäufe an den automatisierten Checkout, wird nach einem Iris-Scan der geschuldete Betrag transferiert. Im Buchladen nebenan nutzen wir unser Smartphone als Geldbörse, das mit Hilfe von NFC (Near Field Communication) drahtlos mit dem Kassensystem kommuniziert. Abends an der Kinokasse reicht es, unsere RFID (Radio-Frequency Identification)-fähige Armbanduhr an einem elektronischen Lesegerät vorbeizuführen, um eine Verbindung zum Bankkonto herzustellen und das Popcorn bezahlen wir mit virtuellen Credits, die wir in Videospielen verdient haben. Die Zukunft des Bezahlens ist nicht nur zunehmend bargeldlos, sondert offeriert auch ein ganzes Bündel an verschiedensten Währungen: Neben Euros und Dollars treten Loyalitätspunkte, Spielcredits oder digitale Währungen wie Bitcoins.

Die Vision der bargeldlosen Gesellschaft gibt es schon lange – und beinahe ebenso lange wird prophezeit, dass aus der Vision bald Realität werde. Doch nach wie vor sind Scheine und Münzen in Umlauf und für kaum jemanden völlig aus dem Alltagsleben wegzudenken. Dabei sind alle oben genannten Wege des Bezahlens technisch machbar und die betreffenden Technologien sind in anderen Zusammenhängen bereits im Einsatz. Es ist also nicht die Technik, die die bargeldlose Gesellschaft in der Warteschleife hält. Vielmehr liegt es an den Käufern, die noch nicht davon überzeugt sind, ihren Geldbeutel gegen das Smartphone zu tauschen. Neben Sicherheitsbedenken ist es die emotionale Bindung an Bargeld, die sein Verschwinden verhindert. Denn was würde aus dem Sparschwein, aus dem zugesteckten Zehner von Oma, der Münzsammlung in einer Welt ohne Barem? Auch wenn sich bargeldloses Bezahlen bestimmte Nischen erobern wird, in der näheren Zukunft bleibt Bargeld hierzulande bestimmt weiterhin ein wichtiger Teil des alltäglichen Lebens. Bis eine kritische Masse an Käufern erreicht ist, die eine bargeldlose Zukunft eröffnen, werden wohl noch Jahre ins Land ziehen.

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