Das Ende der Work-Life-Balance


Dienst ist Dienst und Schnaps ist Schnaps, wusste einst der Volksmund. Wird sich die Trennung von Arbeits- und Privatsphäre noch lange halten, wenn ein Großteil der Berufstätigen überall rund um die Uhr erreichbar ist?


November 2014



Zu Beginn des 20. Jahrhunderts waren in Deutschland 60 Prozent der Bevölkerung in der Landwirtschaft tätig. Bauern schufteten vom ersten Hahnenschrei bis zum Sonnenuntergang und wohnten gemeinsam auf dem Hof. Leben und Arbeiten waren so eng verflochten, dass die Frage nach einer Work-Life-Balance gar absurd erscheinen musste.

Erst im Industriezeitalter begannen die Menschen, ihr Heim zu verlassen und sich zwecks Broterwerbs in die Fabriken zu begeben. Von da an lebte man an einem Ort und arbeitete an einem anderen, örtlich streng abgegrenzten Ort. Damit einher ging die strikte Trennung von Arbeitszeit und Freizeit. Dienst ist Dienst und Schnaps ist Schnaps, brachte der Volksmund das Arbeitsschema des Industriezeitalters auf den Punkt.

Diese örtlichen und zeitlichen Grenzen verflüssigen sich heute zunehmend. Vor allem die Informations- und Kommunikationstechnologien sorgen dafür, dass wir viele Arbeiten wieder von zu Hause aus erledigen, völlig unabhängig von fixen Arbeitszeiten. E-Mail und Mobiltelefon zwingen nicht länger zum täglichen Weg ins Büro und lassen das Homeoffice immer beliebter werden. Der Anteil der Wissensarbeiter, für die ein orts- und zeitunabhängiges Arbeiten leicht möglich ist, wächst rapide. Hingegen sind heute gerade noch drei Prozent der Bevölkerung in der Landwirtschaft tätig.

Diese Entwicklungen führen dazu, dass wir einen Schritt zurück in der Geschichte gehen: Arbeiten und Leben wachsen wieder stärker zusammen und es hat den Anschein, als ob das nine-to-five-Konzept mit seinen strikten Arbeitszeiten und -orten nicht die Regel, sondern eher die große historische Ausnahme darstellt.

Wird durch das Zusammenwachsen der Sphären künftig die Frage der Work-Life-Balance wieder schwinden? Im Informationszeitalter werden die Trennlinien unschärfer und wir werden akzeptieren müssen, dass Arbeit ein Teil des Lebens ist, genauso wie das Leben untrennbar zur Arbeit gehört. Im Nachhinein betrachtet wird das Problem der Work-Life-Balance womöglich nur ein kurzes Zwischenspiel gewesen sein.

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