Das Ende der Sollbruchstelle


Die Sharing Economy wirft nicht nur die Regeln des Konsums um, auch die Produktion steht vor neuen Fragen: Welchen Anforderungen müssen Güter genügen, die geteilt werden?


Februar 2014



Teilen war immer schon Teil des menschlichen Zusammenlebens. Waschküchen, öffentliche Badeanstalten und die vor dem gemeinsamen Fernseher versammelte Familie sind Belege des gemeinschaftlichen Konsumierens. Mit zunehmendem Wohlstand verschwanden solche Konsumpraktiken aus unserer Gesellschaft: Denn ihnen haftete der Hauch der Bedürftigkeit an. „Mein Haus, mein Boot, mein Auto“ hieß es fortan.

Im Internetzeitalter kehrt gemeinschaftlicher Konsum – vom Teilen über das Ausleihen, Tauschen, Wiederverwenden bis hin zum Schenken – in unser Leben zurück. Dabei geht es beim heutigen „Sharing“ anders als beim notgedrungenen Teilen vergangener Tage nicht um das Überkommen von Knappheit, sondern um die Umverteilung des Überflusses. Und dabei helfen die modernen Vernetzungstechnologien, da sie vollkommen neue Wege auftun, wie sich Menschen miteinander verbinden – in Echtzeit und immer öfter mobil. Im Netz finden sich korrespondierende Interessen quasi auf Knopfdruck; und mit der Weiterentwicklung zum Social Web sowie der Hilfe weiterer Technologien geschieht dies situativ und passgenau.

Die Sharing Economy ist ein Paradigmenwechsel in der Art und Weise, wie konsumiert wird. Sie bringt mit sich, dass künftig weniger Eigentum, sondern vielmehr Nutzungsrechte erworben werden. Für Verbraucher tun sich neue Konsumwelten auf. Gleichzeitig bedeutet dieser Wandel für Unternehmen eine grundlegende Umstellung ihrer Leistungsversprechen: Nicht mehr das Produkt steht im Mittelpunkt ihrer Bemühungen, sondern der Kunde. Nicht mehr die Herstellung und der Verkauf von Produkten, sondern die Lösung von Kundenanliegen und damit einhergehend die Herstellung und Pflege lang anhaltender Kundenbeziehungen wird zum unternehmerischen Hauptbetätigungsfeld. Unternehmen werden zu Koordinatoren des gemeinschaftlichen Konsums. Sie organisieren die Produktnutzung und lösen damit die eigentlichen Kundenanliegen.

Insbesondere Konsumgüterhersteller haben in der Sharing Economy einer völlig anderen Logik zu folgen: Es geht nicht mehr darum, möglichst viele Einheiten eines Produkts zu verkaufen, sondern den größtmöglichen Nutzen aus jeder Einheit herauszuholen. Damit wird auf den Kopf gestellt, wie wir über die Veralterung von Produkten, über deren Haltbarkeit und generell über Lebenszyklen denken: Plötzlich ist es im Interesse von Herstellern, möglichst langlebige, haltbare Güter zu produzieren – Dinge fürs Leben und nicht bloß für eine Saison. Das Design und die Entwicklung von Produkten wird damit vor vollkommen neue Herausforderungen gestellt: Langlebigkeit bedeutet in diesem Zusammenhang mehr als bloß für eine lange Lebensdauer zu sorgen – etwa durch die Verwendung strapazierfähiger Materialien. In der Sharing Economy werden modular aufgebaute Produkte an Bedeutung gewinnen, damit diese reibungsfrei erweitert als auch zum Zwecke des künftigen Teilens oder Wiederverkaufs zergliedert werden können. Wie können also Produkte entwickelt werden, die langlebig sind und doch den Wünschen unterschiedlicher Nutzer entsprechen? Denn immer wollen auch die „vorübergehenden“ Besitzer das Gefühl haben, dass die Dinge zu ihnen gehören. Daher müssen diese anpassungsfähig sein. Wie können Produkte hergestellt werden, die man zerlegen und wieder zusammenbauen kann oder deren Teile austauschbar sind, um sie jeweils anderen Bedürfnissen anzupassen? Wie kann Technologie bei dieser Aufgabe assistieren? Es ist denkbar, dass etwa die RFID-Technologie in Produkten weit verbreitet sein wird, um ihnen eine „Erinnerungsfähigkeit“ einzupflanzen, damit die smarte Anpassung an verschiedene Nutzer gelingt. Aber so wichtig das Produktdesign ist, um Güter reibungslos mehrfach nutzbar zu machen, eine mindestens ebenso große Rolle spielt das Design des Servicesystems, in das die geteilten Dinge eingebunden sind.

f/21 Quarterly liefert Ihnen 4-mal jährlich frisches Zukunftswissen direkt in Ihr Postfach.
Registrieren Sie sich jetzt kostenlos!