Arbeit in der Plattformökonomie


Sharing-Plattformen bringen einen neuen Typus von Selbständigen hervor: den Mikrounternehmer. Dessen Arbeitsalltag kennt Licht- und Schattenseiten. Der Ruf nach Regulierung wird lauter.


Mai 2017



Die Sharing Economy ist angetreten, um Konsumwünsche auf neuem Weg zu erfüllen: Teilen, Tauschen, Schenken, Wiederverwenden – neudeutsch: „Sharing“ – solle an die Stelle der Anschaffung von Eigentum treten. Plattformen im Internet machen es möglich: Denn diese bringen Angebot und Nachfrage treffsicher zusammen und schalten herkömmliche Intermediäre aus. Konsum ist fortan auch ohne Unternehmen möglich, Transaktionen finden von Privatperson zu Privatperson statt.

Mit der Ausbreitung der Sharing Economy werden die Sharing-Plattformen zunehmend auch als Job- und Verdienstquelle entdeckt. Denn denkbar einfach ermöglichen sie es Individuen, alle vorstellbaren Vermögensgüter – vom eigenen Hab und Gut, Wohnraum, freier Zeit bis Fähigkeiten und Wissen – zu Geld zu machen. Es ist ein neuer Typus von Selbständigen, der sich auf den Sharing-Plattformen tummelt: der Mikrounternehmer.

Dieser ist unter ganz spezifischen Arbeitsbedingungen tätig, die der Funktionsweise und Eigenart der Plattformen geschuldet sind. Denn diese ziehen sich darauf zurück, lediglich Vermittler zu sein und eine Infrastruktur zur Verfügung zu stellen. Dies führt zu einer Reihe von Vorteilen für die Mikrounternehmer: Sie haben kaum Anlaufkosten, Risiken bleiben überschaubar, ebenso die Overheadkosten. Man erhält direkten Zugang zu Endkunden und arbeitet autonom und selbstbestimmt. Gleichzeitig verzichtet der Mikrounternehmer als Selbständiger auf regelmäßige Lohnzahlungen und soziale Absicherung. Zumeist ist der Arbeitstag des Plattformarbeiters stark „zerstückelt“, er hangelt sich von Plattform zu Plattform und lebt von Kleinstauftrag zu Kleinstauftrag. Arbeitsausführung und Geschäftsbeziehung zu Kunden werden rigide von der Plattformsoftware gesteuert. Planungssicherheit fehlt gänzlich, weil Plattformen jederzeit einseitig Konditionen ändern können.

Angesichts der Zwänge, die die Macht der Plattformen erzeugt, wird der Ruf nach Regulierung lauter. Die Frage, wie reguliert wird, ist allerdings keine einfache. Denn ebenso wie die Mikrounternehmer Schutzrechte und Absicherung verdienen, gilt es die Innovationspotenziale, Beschäftigungsimpulse und wirtschaftlichen Chancen dieser neuen Arbeits- und Wirtschaftswelt nicht zu zerstören. Solange das Phänomen der Plattformarbeit relativ nebulös, weil unerforscht bleibt, besteht die Gefahr, mit überhasteten Einzelfallentscheidungen und Verboten das junge Pflänzchen Sharing Economy zu zertrampeln bevor es noch seine Potenziale entfalten konnte.

Gegen eine voreilige Regulierung spricht zudem, dass die neue Plattformarbeit der Sharing Economy als Ausdruck einer generell gewandelten Arbeitswelt gesehen werden muss. Wie Unternehmen heute ihre Arbeit organisieren, wird flüssiger, projektgetriebener, lässt die Grenzen zwischen extern und intern aufweichen. Das soll heißen: Das Normalarbeitsverhältnis verliert an Bedeutung, vermehrt wird auf Dienstleister zurückgegriffen, die ebenso als Selbständige ohne soziales Sicherheitsnetz auskommen müssen. Bevor eilig Regulierungsmaßnahmen umgesetzt werden, sollte daher geprüft werden, ob unsere traditionellen Denkansätze, Werkzeuge und Kategorisierungen heute überhaupt noch Geltung haben. Wer in der Plattformökonomie Arbeitgeber, Arbeitnehmer und wer Kunde ist, ist längst nicht so eindeutig, wie wir dies gewohnt sind.

Teilen

f/21 Quarterly liefert Ihnen 4-mal jährlich frisches Zukunftswissen direkt in Ihr Postfach.
Registrieren Sie sich jetzt kostenlos!